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25.10.2022 // Caritas Bonn:Digitale Kompetenzen mit „Telefonzelle 4.0“

Benachteiligten Menschen den digitalen Zugang zu Hilfen erleichtern: Mit einem innovativen Modellprojekt soll dies gelingen.
Telefonzelle 4.0
Datum:
25. Okt. 2022
Von:
Caritas Bonn
Telefonzelle 4.0

Digitale Teilhabe ermöglichen

Caritas Bonn startet Digitalisierungsprojekt zur „Stärkung digitaler Kompetenzen von Ratsuchenden Sozialer Arbeit & Implementierung von digitalen und hybriden Kommunikationswegen für Ratsuchende sozialer Beratungsangebote“ – oder kurz: die „Telefonzelle 4.0“ in der Sozialberatung

Mit einer hybriden Kick-Off-Veranstaltung hat die Bonner Caritas jetzt das Modellprojekt „Telefonzelle 4.0“ gestartet. Die Kooperationspartner - Caritasverband für die Stadt Bonn e.V., SKM Köln e.V. und die Universität zu Köln – wollen damit die digitalen Kompetenzen ratsuchender Menschen fördern und digitale Teilhabe ermöglichen. Das Modellprojekt wird von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gefördert.

Die Zielsetzung des Projektes besteht in der Schaffung eines sozialraum- und bedarfsorientierten, niederschwelligen Angebots, das den Adressat*innen der Beratungsdienste Zugang zu digitaler Beratung sowohl auf technischer wie personeller Ebene sowie eine gesicherte Möglichkeit zur Wahrung ihrer Interessen und Rechte eröffnet. Das Projekt soll die folgenden drei Dimensionen, die im Kontext digitalisierter Beratungsangebote Sozialer Arbeit relevant sind, wissenschaftlich gestützt in der Praxis entwickeln und erproben.

  1. Erweiterung der Digitalitätskompetenz der Ratsuchenden als ein Teil der Hilfe zur Selbsthilfe durch entsprechende Angebote im Sozialraum sowie in der aktiven Beratungsarbeit (Fokus Ratsuchende)
  2. Schulung der digitalen Beratungskompetenz der Beratenden sowie Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen (Fokus Beratende)
  3. Beschreibung, Implementierung und Erprobung eines digitalen bzw. hybriden Beratungsbüros sowie entsprechender Hard- und Software mit dem Ziel, adäquaten Ressourcenzugang für Ratsuchende zu ermöglichen (Fokus Technik).

Unter anderem  ermöglicht das Projekt ratsuchenden Menschen unter Anleitung von eigens geschulten ehrenamtlichen Mitarbeitenden den digitalen Zugang zu Informationen von Hilfsangeboten und zu entsprechenden Möglichkeiten der digitalen Antragstellung. 

„Die Idee ist lange vor Corona entstanden“, sagt Jörn Unterburger, Fachgebietsleiter bei der Bonner Caritas und u.a. für die Schuldnerberatung und die Sozialberatung zuständig. Auslöser war das Onlinezugangsgesetz aus dem Jahre 2017, das seit 2020 gilt. Es verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden, bis spätestens Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten, damit Anträge online abgerufen und bearbeitet werden können. „Der Sozialhilfebescheid kommt dann nicht mehr per Post, sondern landet in der Cloud“, erklärt Unterburger. „Manche sind aber schon damit überfordert, eine E-Mail-Adresse einzurichten oder E-Mails zu versenden.“

Soziale Ungleichheit = digitale Ungleichheit

Viele Menschen seien immer noch offline, also nicht an digitale Kommunikation angeschlossen. „Das kann nicht so bleiben. Denn ohne digitale Kompetenz gibt es keine digitale Teilhabe und damit auch keine soziale Teilhabe. Außerdem geht damit die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander“, so Unterburger. Soziale Ungleichheit stelle sich zunehmend auch als digitale Ungleichheit dar.

Am Standort Bonn ist das Digitalisierungsprojekt ein niederschwelliges Angebot insbesondere für Klient*innen der Allgemeinen Sozialberatung. Sie sollen an digitale Prozesse herangeführt, die Mitarbeitenden technisch und fachlich qualifiziert werden.

Konzepterprobung an zwei Standorten

Der Caritasverband Bonn wird dafür in der Beratungsstelle Arbeit in Bonn-Tannenbusch die „Telefonzelle 4.0“ einrichten. Dort werden Fachkräfte beispielhaft ein Konzept entwickeln und erproben, mit dem Besucher*innen der Allgemeinen Sozialberatung ein niedrigschwelliges Angebot zur digitalen Inforecherche, Kommunikation und Antragsstellung sowie Online-Beratung erhalten. Das Angebot soll ehrenamtlich begleitet werden.

Ziel ist, dass benachteiligte Menschen nach konkreter Anleitung kompetenter Berater*innen an digitalen Kommunikationswegen und auch beispielsweise an Antragsverfahren für Hilfen etc. teilnehmen können. Wie niederschwellig muss das digitale Angebot sein? Welche Software brauchen wir für die Beratung bzw. für die Klient*innen? Wie soll das neue digitale Beratungstool beschaffen sein? Wie sieht das Beratungsangebot der Zukunft aus?  Diese Fragen gilt es zu klären.

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert durch die Universität Köln, die im Zusammenhang des Projektverlaufs empirische Erhebungen mit Klient*innen und Fachkräften zu Bedarfen und Bedingungen für die Gestaltung hybrider Beratungssettings durchführt. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung werden sowohl für die Entwicklung eines Modellkonzepts aufbereitet als auch für die weitere Auseinandersetzung in Wissenschaft und Fachpraxis zur Verfügung gestellt.

Im Jahr 2021 hatte die Sozialberatung 847 Kund*innen betreut. Fast 500 davon waren längerfristige „Fälle“. 65 bis 70 Prozent der Klient*innen, so schätzt Unterburger, haben Schulungsbedarf in digitalen Belangen.