Gartentherapie im Pflegeheim: Mit Kräutern gegen das Vergessen

Während die Teilnehmenden schnibbeln, geht Katja Schubert mit einem Büschel Grün von Platz zu Platz und fragt: „Wer erkennt dieses Kraut?“ In der Gruppe, in der demenziell veränderte und kognitiv nicht-eingeschränkte Bewohner*innen zusammen werkeln, erkennen fast alle das Selleriekraut an Blätterform und würzigem Geruch.
Alle zwei Wochen trifft sich die „Gartentherapie-Gruppe“, um unter Schuberts Leitung zu säen, zu ernten und zu verarbeiten. Draußen im Garten des Marienhauses steht ein selbst angelegtes Hochbeet, das auch für Rollstuhlfahrende gut zugänglich ist. Hier gedeihen unter anderem Schnittlauch und Paprika, Petersilie und Tomaten. Fast alles, was die Senior*innen verarbeiten, stammt aus eigener Ernte: Lavendel für Duftsäckchen, Blumen für kleine Sträuße oder eben das Kräutersalz aus der ersten eigenen Ernte.
Die Gartentherapie gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Eingesetzt wird sie unter anderem bei psychosomatisch und psychiatrisch Erkrankten, in der Geriatrie und speziell bei demenziell veränderten Menschen. Sie fördert Motorik, Koordination und Körperwahrnehmung, kann den Abbau kognitiver Fähigkeiten verlangsamen – und stärkt zugleich das seelische wie soziale Wohlbefinden. Schließlich ist die Therapie auch ein Vehikel, über das Menschen in Kontakt kommen. Die vertrauten Handgriffe früherer Tage – gärtnerisch, hauswirtschaftlich, handwerklich – wecken Erinnerungen.
„Die Menschen beginnen zu erzählen. Eine Dame erinnerte sich während der Arbeit an ein Lied aus ihren Schultagen – ‚In meinem kleinen Bauerngarten‘“, erzählt Katja Schubert, die bereits seit zehn Jahren als Gartentherapeutin arbeitet.
Ermöglicht wurde das gartentherapeutische Projekt durch die Krankenkasse IKK Classic, die im Rahmen präventiver und gesundheitsfördernder Leistungen stationäre Pflegeeinrichtungen wie das Marienhaus unterstützt. Ein Jahr lang ist Katja Schubert regelmäßig im Einsatz – und die Chancen stehen gut, dass die bei den Bewohner*innen beliebte „Garten-Runde“ auch darüber hinaus weiterbesteht.
„Meine Kollegin Ayse Schulz und ich machen zurzeit die Ausbildung zur Gartentherapie-Assistentin“, erzählt Margit Scholz-Schaller, Leiterin des Sozial-Kulturellen Dienst im Marienhaus. Die Fortbildung, eine Kombination aus Webinaren und Praxisstunden bei der zweiwöchentlichen Gartentherapie, dauert ein Jahr. „Es ist wunderbar zu sehen, was diese Aktivitäten bewirken: Die Menschen werden lebhaft, beginnen miteinander zu sprechen, helfen sich gegenseitig. Ich freue mich schon darauf, die Gruppe bald selbst anzuleiten.“