Interview: Warum ist das institutionelle Schutzkonzept so wichtig?

Hanna, welche Aufgabe hat das ISK?
Das ISK ist ein maßgeschneidertes Präventions- und Interventionskonzept mit dem Ziel, Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene bei uns im Caritasverband wirksam vor Gewalt – besonders vor sexualisierter Gewalt – zu schützen. Das gilt ebenso für Grenzverletzungen und Machtmissbrauch. Zum ISK gehören daher vor allem auch Präventionsmaßnahmen wie etwa Schulungen. Das Konzept soll jede*n haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitende*n der Bonner Caritas informieren, sensibilisieren und dazu anregen, Haltung und Verhalten im Kontakt mit den Klient*innen, Patient*innen, und Bewohner*innen zu reflektieren. Vor allem soll es im konkreten (Verdachts)Fall Handlungssicherheit geben.
Warum ist ein solches Schutzkonzept so wichtig?
Die Arbeit, die die Kolleg*innen hier im Verband leisten, ist vor allem eins – Beziehungsarbeit. Wer mit Menschen zusammenarbeitet, geht in eine Beziehung. Doch überall dort, wo Menschen für Menschen tätig sind, kann es auch zu Grenzüberschreitungen und -verletzungen kommen. So bietet eine Beziehung immer auch potenziell den Nährboden für die unterschiedlichsten Formen von Gewalt: psychische, physische, strukturelle oder eben sexualisierte Gewalt. Ein Schutzkonzept wie unseres trägt zunächst einmal zu einer Enttabuisierung bei. Wir machen deutlich: In unserem Verband ist Gewalt kein Tabuthema. Und wir informieren. Wissen schützt: Man kann Gewalt nur wahrnehmen und erkennen, wenn man über unterschiedliche Erscheinungsformen von Gewalt informiert ist. Mindestens ebenso wichtig ist, zu wissen, wie ein*e Betroffene*r von Gewalt sich äußert, sich offenbart. Das heißt, wir alle müssen gut geschult sein, wenn wir Kontakt zu Nutzenden unserer Dienste haben. Transparenz und Wissen macht es potentiellen Täter*innen schwer.
Wie steht es um das Empowerment der Klient*innen?
Auch das berücksichtigt das ISK – an dessen Entwicklung neben der Arbeitsgruppe aus engagierten Mitarbeitenden übrigens auch Klient*innen mitgewirkt haben. Zu den Maßnahmen zur Stärkung von Schutzbedürftigen gehören beispielsweise sexuelle Bildung, Rechtsaufklärung, Schaffung von Sprachfähigkeit und ein klares Beschwerdemanagement.
Wie hilft das ISK im konkreten Fall?
Mitarbeitende sind verpflichtet, zu melden, wenn sie Gewalt, Grenzverletzungen oder Machtmissbrauch wahrnehmen. Das ISK bietet hier konkrete Orientierungshilfe und einen praktischen Leitfaden. Dazu gehört unter anderem die Aufstellung der
Handlungsschritte 1 – 9 in einem „Musterfall“. Ebenso findet man dort die notwendigen Hinweise auf externe Ansprechpartner*innen. Innerhalb der Bonner Caritas bin ich diejenige, die als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht. Ich berate und habe „Lotsinnenfunktion“. Das heißt, ich koordiniere den Prozess.
Und wenn man nicht sicher ist, ob man aktiv werden muss?
Im Zweifelsfall gilt: Lieber den Hörer einmal zu viel als einmal zu wenig in die Hand nehmen. Meine externen Kolleg*innen vom Diözesancaritasverband und den Fachberatungsstellen und ich stehen jederzeit gern für ein vertrauliches Erstgespräch zur Verfügung. In einer solchen Erstberatung ist es auch noch nicht notwendig, Namen oder konkrete Details zu nennen.