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Über sich hinauswachsen: Ferienfreizeit auf dem Wasser

Zweieinhalb Wochen Kanuwandern in Südfinnland – der Höhepunkt des Jahres im Jugendzentrum „Uns Huus“ im Bonner Norden. Seit über 10 Jahren ermöglicht das Uns-Huus-Team „seinen“ Jugendlichen ganz besondere Sommerferien.
Jeden Morgen packen die Teilnehmer*innen die Kanus für die anstehende Tour. Bis zu 20 Kilometer legen sie zurück, bis sie am nächsten Camp Ground Station machen. 
Datum:
16. Sept. 2025
Von:
Verena Weiden

Deniz Halici ist immer noch begeistert. In diesem Jahr ist die Ferienfreizeit am Saimaasee im Süden Finnlands wieder einmal besonders gelungen: „Zweieinhalb Wochen Sonne, Wärme und blauer Himmel. Und dazu eine Gruppe, die so harmonisch und positiv gestimmt war wie selten“, erzählt der Sozialpädagoge, der seit acht Jahren im Jugendzentrum Uns Huus Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren betreut.

„Uns Huus“ steht allen Jugendlichen im Quartier offen. Das Herzstück des täglichen Geschehens ist der offene Treff. Zusätzlich gibt es jeden Tag frisch gekochtes Essen mit Gemüse aus dem eigenen Garten. Das Jugendzentrum bietet darüber hinaus besondere Ausflüge an, z.B. in den Zoo oder zu einem Sportevent. Höhepunkte im Jahr sind die erlebnispädagogischen Ferienfreizeiten. 

Seit 2013 organisiert das Uns-Huus-Team in den Sommerferien eine Kanu-Wandertour in Skandinavien. Für die Jugendlichen, die das Jugendzentrum regelmäßig besuchen, ein absolutes Highlight: Denn ein Urlaub, zumal im Ausland, ist für sie alles andere als selbstverständlich.

Natur pur statt Handy und WLAN 

Die Begeisterung ist groß, die Verbundenheit mit der Gruppe ebenso: Rund zwei Drittel fahren mehrere Jahre hintereinander mit. Manche bleiben dem Haus verbunden, auch wenn sie längst dem klassischen „Uns-Huus-Alter“ entwachsen sind. So wie ein ehemaliger Teilnehmer, der mit 13 Jahren zum ersten Mal dabei war, Jura studiert hat – und die Sommerfreizeit inzwischen als ehrenamtlicher Helfer begleitet.

„In der skandinavischen Waldeinsamkeit machen die Jugendlichen ganz neue Erfahrungen“, erzählt Jan-Henrik Hartmann, Leiter des Jugendzentrums und Initiator der Touren. „Sie erleben sehr intensiv nahezu unberührte Natur. Reize und Ablenkungen von außen gibt es kaum. Manche nutzen die Touren sogar für digital detox.“

Soziale Kompetenzen im Gepäck 

Vier Mädchen und sieben Jungen zwischen 12 und 20 Jahren waren in diesem Sommer dabei, begleitet von fünf Betreuer*innen. Mit einem Ford Transit ging es über Dänemark und Schweden bis zur Fähre nach Finnland. Vom Ankunftsfährhafen war es dann nur noch ein kurzer Weg zum ersten Camp Ground – eine Kombination aus Bootsanleger und einfachem Zeltplatz mit Plumpsklo und einer Feuerholz-Hütte. Zelte aufbauen, Feuer machen, Mahlzeiten vorbereiten: Von Beginn an packt jede und jeder mit an. Ab dem zweiten Tag ging es dann mit den Kanus von Insel zu Insel. Neben dem Paddeln gehörten Schwimmen, gemeinsames Kochen und Kartenspiele zum Alltag. „Viele der Kids sind in diesen Wochen über sich hinausgewachsen“, sagt Halici.

Die positiven Effekte dieser Freizeiten sind vielfältig. So erwerben die Jugendlichen hier soziale Skills, die ihnen ihr Alltag kaum vermittelt. „Nur in der Gruppe kommt man weiter – das lernen die Jugendlichen hier ganz praktisch. Am Ende des Tages sitzen alle am selben Feuer“, so Hartmann. Darüber hinaus eröffnen die Touren neue Horizonte: „Reisen bildet, auch unsere Reisen. Die Jugendlichen kehren mit frischen Ideen zurück.“

Für die Pädagog*innen haben die Fahrten noch einen zusätzlichen Wert: In der intensiven Gemeinschaft öffnen sich die Jugendlichen stärker als im Alltag des Jugendzentrums. Biografien, familiäre Konstellationen und persönliche Herausforderungen werden sichtbarer – ein Wissen, das die Arbeit im Uns Huus nachhaltig bereichert.

Mitfahren – auch ohne eigenes Budget

Möglich ist das alles nur dank einer stabilen Finanzierung. Am Geld sei es bisher nie gescheitert, betont Hartmann. „Wer mitfahren möchte, kann mitfahren – das machen wir immer möglich.“ Finanziert wird die Freizeit über Teilnehmerbeiträge, soweit Familien sie leisten können, ergänzt durch Spenden, Stiftungszuschüsse oder Mittel aus dem Familienfonds „Robin Good“ und von der Stadt Bonn. Lediglich 2020 musste die Tour pandemiebedingt ausfallen.

Vor allem anderen ist es aber das Engagement des Teams, das diese Freizeiten möglich macht. Die Betreuer*innen planen die Reise nicht nur monatelang im Voraus, sie sind auch vor Ort im Dauereinsatz – vom Aufstehen bis weit in die Nacht hinein. Für sie ist die Kanutour dennoch ebenso ein Höhepunkt wie für die Jugendlichen. „Die Dankbarkeit und Anerkennung der Eltern und Jugendlichen beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue“, fasst Hartmann zusammen.

Fotos von den Kanufreizeiten